Arzneimittelrückstände im Trinkwasser

Medikamente sind für die menschliche und tierische Gesundheit unentbehrlich. Dabei sind allerdings die ökologischen Auswirkungen kritisch zu betrachten. Viele Arzneimittel sind persistent, so dass sie nur sehr langsam abgebaut werden und sich in der Umwelt anreichern. Dies kann in höheren Konzentrationen toxisch für aquatische Organismen sein. Seit 1974 erstellt das Umweltbundesamt (UBA) die Umweltforschungsdatenbank (UFORDAT), welche Monitoringdaten von Arzneimittelrückständen in der Umwelt zusammenfasst. Die regionalen Wasserversorger lassen ihr Trinkwasser ebenfalls regelmäßig auf Arzneimittelrückstände untersuchen und stellen Ihre Daten öffentlich zur Verfügung.

Nachweis von Arzneimitteln im Trinkwasser durch das Rückstandslabor des ifp

Wir bieten die Untersuchung von Arzneimittelrückständen in Wasser mittels HPLC-MS/MS an. Das Substanzspektrum umfasst die am häufigsten eingenommenen Human- und Tierarzneimittel, einschließlich relevanter Metaboliten:

  • Analgetika und Antiphlogistika, z.B. Diclofenac, Ibuprofen
  • Antibiotika, z.B. Chloramphenicol, Sulfamethoxazol
  • Antikonvulsiva, z.B. Phenobarbital, Primidon
  • Antilipidämika, z.B. Bezafibrat, Fenofibrat
  • Betablocker, z.B. Metoprolol, Propranolol
  • Gestagene, z.B. Norethisteron
  • Kontrastmittel, z.B. Amidotrizoesäure, Gadolinium (mittels ICP-MS)
  • Psychopharmaka, z.B. Diazepam, Oxazepam
  • Zytostatika, z.B. Cyclophosphamid
  • Veterinärarzneimittel, z.B. Sulfamethoxin, Tiamulin (Antibiotika), Ivermectin (Antiparasitikum)

Humane Arzneimittel gelangen über Ausscheidungen und falsche Entsorgung ins Wasser

Humane Arzneimittel und ihre Metaboliten gelangen hauptsächlich über natürliche Ausscheidungen in das kommunale Abwassersystem. Eine weitere nicht zu vernachlässigende Quelle ist die falsche Medikamentenentsorgung, z. B. über die Toilette oder den Hausmüll, der nicht verbrannt wird. Da die Technologien kommunaler Kläranlagen Rückstände von Arzneimitteln nicht vollständig entfernen können, gelangen diese mit dem gereinigten Wasser in die Fließgewässer und ins Trinkwasser. Durch ihre meist polare Struktur besitzen Arzneimittel eine sehr hohe Mobilität. So können sie durch Leckagen im Abwassersystem bzw. durch Versickerung von Oberflächengewässern auch ins Grundwasser gelangen.

Tierarzneimittel im Grundwasser: Resultat intensiver Landwirtschaft

Rückstände von Veterinärpharmaka resultieren aus der intensiven Verwendung bei der Massentierhaltung in der konventionellen Landwirtschaft. Die von den Tieren wieder ausgeschiedenen Substanzen und Metaboliten gelangen in Wirtschaftsdünger (Gülle), welche zur Behandlung von Böden und Ackerflächen genutzt werden. Von dort aus versickern die Substanzen im Boden und können so ins Grundwasser gelangen. Ebenso ist eine Belastung von Oberflächengewässern durch Oberflächenabfluss („Runoff") nach starken Regenfällen möglich.

Gesundheitliche Bewertung von Arzneimittelrückständen im Trinkwasser

Die gesundheitliche Bewertung von Arzneimittelrückständen im Trinkwasser wird in Deutschland vom UBA anhand von toxikologischen Daten vorgenommen. Für nicht genotoxische Verbindungen wird ein genereller Zielwert (Vorsorgewert) von maximal 0,1 µg/L pro Einzelstoff empfohlen, der das Risiko für Verbraucher vorsorglich minimieren soll. Bis zu dieser Konzentration ist keine gesundheitliche Bewertung notwendig, weil bis dahin kein Risiko für alle Altersgruppen inklusive Säuglinge und Kleinkinder erwartet wird. Für die einzelnen Wirkstoffe/Metaboliten legt das UBA gesundheitliche Orientierungswerte (GOW), Leitwerte und Maßnahmewerte fest, welche für die gesundheitliche Bewertung von Arzneimittelrückständen im Trinkwasser herangezogen werden. Unter Einhaltung der GOW und Leitwerte kann Trinkwasser ohne Risiko für den Verbraucher genossen werden. Werden Maßnahmewerte erreicht oder sogar überschritten, ist das Wasser nicht mehr als gesundheitlich unbedenklich einzustufen. Die Ursache des Arzneimitteleintrags sollte in diesem Fall recherchiert und die Konzentration so weit wie möglich minimiert werden.

Rückstände von Chlorat und Perchlorat im Trinkwasser

Der Nachweis chlorhaltiger Verbindungen im Wasser führt zunehmend zu Diskussionen. Perchlorat wird im Grundwasser bereits seit den 1950er Jahren nachgewiesen. Das Vorkommen von Chlorat in Trinkwasser wiederum scheint neueren Untersuchungen zufolge auf die Wasseraufbereitung mit verschiedenen Chlorungsmitteln zurückzugehen.

Die Bestimmung von Chlorat und Perchlorat erfolgt in unserem Labor mittels QuPPe-Methode (Quick Polar Pesticides Method) und LC-MS/MS.

Untersuchungen des CVUA Stuttgart zu Chlorat in Trinkwasser

Im Dezember 2014 gaben neue Erkenntnisse des CVUA Stuttgart einen Hinweis auf signifikante Gehalte von Chlorat im Trinkwasser. Das Amt untersuchte 2014 insgesamt 109 Trinkwasserproben auf Chlorat (zur Hälfte als Querschnitt von Trinkwasser verschiedener Herkunft, zur Hälfte risikoorientiert). Hierbei wurden in zwei Drittel der Proben Chloratgehalte größer 0,01 mg/L ermittelt. 16 Prozent aller Proben lagen über 0,05 mg/L, knapp fünf Prozent überschritten sogar 0,1 mg/L.

Diese Befunde stützen die Argumentation der Lebensmittelwirtschaft, dass der Eintrag von Chlorat in Obst und Gemüse durch das Waschen mit chlorhaltigem Trinkwasser erfolgt. Die Ergebnisse zeigten, dass insbesondere Wässer aus gemeindeeigenen Vorkommen bzw. dem eines Verbandes häufig Chlorat enthalten, da hier aus hygienischen Gründen höhere Chlorzugaben erfolgen. Durch Fernwasser gespeiste Trinkwässer hingegen enthalten seltener Chlorat.

Das CVUA Stuttgart fand des Weiteren heraus, dass die verschiedenen Chlorungsmittel, die bei der Wasseraufbereitung zum Einsatz kommen, sich unterschiedlich auf den Chloratgehalt des Trinkwassers auswirken. Während bei der Aufbereitung mit Chlordioxid oder Chlorbleichlauge häufiger Chlorat in Konzentrationen von über 0,05 mg/L gebildet wird, wird dieser Gehalt bei der Aufbereitung mit Chlorgas wesentlich seltener überschritten.

Risikobewertung von Chloratrückständen im Trinkwasser

Bisher gibt es keinen gesetzlichen Grenzwert für Chlorat in Trinkwasser, aber einen vorläufigen Richtwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der bei 0,7 mg/L liegt. Der von der WHO aus toxikologischen Daten abgeleitete ADI (erlaubte Tagesdosis) von 0,01 mg pro kg Körpergewicht wurde bisher auch vom BfR als Basis für die Risikobewertung empfohlen.

Im Juni 2015 hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine wissenschaftliche Stellungnahme veröffentlicht, in der sie toxikologische Grenzwerte für Chlorat ableitet und die Eignung des WHO-Richtwertes von 0,7 mg/L beurteilt. Für die Abschätzung des chronischen Risikos leitete die EFSA eine maximale tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) von 0,003 mg/kg Körpergewicht (KG) und Tag (d), für das akute Risiko eine akute Referenzdosis (ARfD) von 0,036 mg/kg KG ab. Demnach ist der WHO-Leitwert für Trinkwasser (0,7 mg/L) nicht ausreichend, um den Schutz der EU-Bevölkerung zu gewährleisten. Nach Auskunft der EU-Kommission und des BMEL soll die Stellungnahme zunächst gründlich analysiert werden. Es wird womöglich ein EU-weiter Grenzwert (vermutlich < 0,7 mg/L) für Trinkwasser festgelegt werden, an dem sich auch Höchstgehalte im Lebensmittel orientieren.

Risikobewertung von Perchloratrückständen im Trinkwasser

Erhöhte Perchloratgehalte können im Wasser aus natürlichen Vorkommen im Gestein und Boden resultieren. Wegen der vergleichsweise niedrigen toxikologisch relevanten Konzentrationen gibt es jedoch Anlass zu wachsender Besorgnis. Die orale Aufnahme von perchlorathaltigem Wasser oder Nahrung spiegelt den primären Expositionsweg für Perchlorat beim Menschen wider. Für Perchlorat wurde im Oktober 2014 eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) von 0,3 μg/kg Körpergewicht und Tag durch die EFSA abgeleitet. Für eine 75 kg schwere Person würde sich bei 2 Litern Wasser pro Tag eine tolerierbare Konzentration von 11 µg/L Perchlorat im Trinkwasser errechnen.

Pflanzenschutzmittel und deren Metaboliten im Trinkwasser

Die Analytik von Pflanzenschutzmittelrückständen in Wasser bzw. Trinkwasser stellt andere Anforderungen an ein Prüflabor als der Nachweis in Obst und Gemüse oder auch verarbeiteten Lebensmittelmatrizes. Im ifp Institut für Produktqualität wurde eine spezielle Trinkwasser-Multimethode für die sensitive Bestimmung von insgesamt 464 Wirkstoffen und Metaboliten (inklusive Phenoxycarbonsäuren/saurer Herbizide) etabliert. Nach einer speziellen Extraktion erfolgt die Bestimmung mittels HPLC-MS/MS bzw. GC-MS/MS.

Darüber hinaus bieten wir auch Einzelanalysen an, welche mit der Multimethode nicht erfasst werden können, z. B.:

Wie gelangen Pflanzenschutzmittel ins Wasser?

In der konventionellen Agrarwirtschaft werden Pflanzenschutzmittel großflächig auf den Feldern ausgebracht, um die Ernteerträge zu sichern. Im ökologischen bzw. Bio-Landbau hingegen ist die Verwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel untersagt. Es ist jedoch kaum möglich, beide Anbautypen derart voneinander abzugrenzen, dass z. B. eine witterungsbedingte Abdrift auf benachbarte Felder oder Gewässer ausgeschlossen werden kann. Hinzu kommt, dass selbst bei sachgemäßem Einsatz in der konventionellen Landwirtschaft Rückstände ins Grund- und Trinkwasser gelangen können. Dabei spielen Faktoren wie die Bodenbeschaffenheit und die chemischen Eigenschaften des jeweiligen Pflanzenschutzmittelwirkstoffes eine Rolle. Neben den Pestiziden selbst können auch ihre teils giftigen Abbauprodukte (Metaboliten) das Wasser kontaminieren.

Gesetzlicher Höchstgehalt für Pestizidrückstände im Trinkwasser

Die Beschaffenheit von Wasser für den menschlichen Gebrauch wurde europaweit durch die EG-Richtlinie 98/83/EG geregelt und mit der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) in national geltendes Recht umgesetzt. Gemäß der Trinkwasserverordnung darf kein einzelner Pflanzenschutzmittelwirkstoff bzw. kein relevantes Abbau- oder Reaktionsprodukt den in Anlage 2 Teil 1 aufgeführten Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter (µg/L) im Trinkwasser überschreiten. Darüber hinaus darf bei Mehrfachrückständen die Summe der Einzelstoffe den Grenzwert von 0,5 µg/L nicht überschreiten. Für die persistenten Insektizide Aldrin, Dieldrin, Heptachlor und dessen Metabolit Heptachlorepoxid gilt ein deutlich niedrigerer Grenzwert von 0,03 µg/L.