Rückstände von Chlorat und Perchlorat im Trinkwasser
Der Nachweis chlorhaltiger Verbindungen im Wasser führt zunehmend zu Diskussionen. Perchlorat wird im Grundwasser bereits seit den 1950er Jahren nachgewiesen. Das Vorkommen von Chlorat in Trinkwasser wiederum scheint neueren Untersuchungen zufolge auf die Wasseraufbereitung mit verschiedenen Chlorungsmitteln zurückzugehen.
Die Bestimmung von Chlorat und Perchlorat erfolgt in unserem Labor mittels QuPPe-Methode (Quick Polar Pesticides Method) und LC-MS/MS.
Untersuchungen des CVUA Stuttgart zu Chlorat in Trinkwasser
Im Dezember 2014 gaben neue Erkenntnisse des CVUA Stuttgart einen Hinweis auf signifikante Gehalte von Chlorat im Trinkwasser. Das Amt untersuchte 2014 insgesamt 109 Trinkwasserproben auf Chlorat (zur Hälfte als Querschnitt von Trinkwasser verschiedener Herkunft, zur Hälfte risikoorientiert). Hierbei wurden in zwei Drittel der Proben Chloratgehalte größer 0,01 mg/L ermittelt. 16 Prozent aller Proben lagen über 0,05 mg/L, knapp fünf Prozent überschritten sogar 0,1 mg/L.
Diese Befunde stützen die Argumentation der Lebensmittelwirtschaft, dass der Eintrag von Chlorat in Obst und Gemüse durch das Waschen mit chlorhaltigem Trinkwasser erfolgt. Die Ergebnisse zeigten, dass insbesondere Wässer aus gemeindeeigenen Vorkommen bzw. dem eines Verbandes häufig Chlorat enthalten, da hier aus hygienischen Gründen höhere Chlorzugaben erfolgen. Durch Fernwasser gespeiste Trinkwässer hingegen enthalten seltener Chlorat.
Das CVUA Stuttgart fand des Weiteren heraus, dass die verschiedenen Chlorungsmittel, die bei der Wasseraufbereitung zum Einsatz kommen, sich unterschiedlich auf den Chloratgehalt des Trinkwassers auswirken. Während bei der Aufbereitung mit Chlordioxid oder Chlorbleichlauge häufiger Chlorat in Konzentrationen von über 0,05 mg/L gebildet wird, wird dieser Gehalt bei der Aufbereitung mit Chlorgas wesentlich seltener überschritten.
Risikobewertung von Chloratrückständen im Trinkwasser
Bisher gibt es keinen gesetzlichen Grenzwert für Chlorat in Trinkwasser, aber einen vorläufigen Richtwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der bei 0,7 mg/L liegt. Der von der WHO aus toxikologischen Daten abgeleitete ADI (erlaubte Tagesdosis) von 0,01 mg pro kg Körpergewicht wurde bisher auch vom BfR als Basis für die Risikobewertung empfohlen.
Im Juni 2015 hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine wissenschaftliche Stellungnahme veröffentlicht, in der sie toxikologische Grenzwerte für Chlorat ableitet und die Eignung des WHO-Richtwertes von 0,7 mg/L beurteilt. Für die Abschätzung des chronischen Risikos leitete die EFSA eine maximale tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) von 0,003 mg/kg Körpergewicht (KG) und Tag (d), für das akute Risiko eine akute Referenzdosis (ARfD) von 0,036 mg/kg KG ab. Demnach ist der WHO-Leitwert für Trinkwasser (0,7 mg/L) nicht ausreichend, um den Schutz der EU-Bevölkerung zu gewährleisten. Nach Auskunft der EU-Kommission und des BMEL soll die Stellungnahme zunächst gründlich analysiert werden. Es wird womöglich ein EU-weiter Grenzwert (vermutlich < 0,7 mg/L) für Trinkwasser festgelegt werden, an dem sich auch Höchstgehalte im Lebensmittel orientieren.
Risikobewertung von Perchloratrückständen im Trinkwasser
Erhöhte Perchloratgehalte können im Wasser aus natürlichen Vorkommen im Gestein und Boden resultieren. Wegen der vergleichsweise niedrigen toxikologisch relevanten Konzentrationen gibt es jedoch Anlass zu wachsender Besorgnis. Die orale Aufnahme von perchlorathaltigem Wasser oder Nahrung spiegelt den primären Expositionsweg für Perchlorat beim Menschen wider. Für Perchlorat wurde im Oktober 2014 eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) von 0,3 μg/kg Körpergewicht und Tag durch die EFSA abgeleitet. Für eine 75 kg schwere Person würde sich bei 2 Litern Wasser pro Tag eine tolerierbare Konzentration von 11 µg/L Perchlorat im Trinkwasser errechnen.