19.05.2015

Was sind cyanogene Glycoside?

Von verschiedenen Lebensmitteln wie Bittermandeln oder Aprikosenkernen ist bekannt, dass sie beim Verzehr toxisch wirken können. Doch auch andere Pflanzen(-bestandteile) wie Maniok oder Leinsamen weisen diese Eigenschaft auf. Ursache hierfür sind sogenannte cyanogene Glycoside.

Dabei handelt es sich um Pflanzengifte, die aus einer Verbindung zwischen einem Zucker mit einer Nitril- bzw. Cyanidgruppe (-CN) und einem Alkohol bestehen. Zu dieser Stoffgruppe gehören z. B. das in Mandeln und Aprikosen vorkommende Amygdalin ebenso wie Linamarin, welches in Maniok enthalten ist, oder das Linustation bzw. Neolinustatin der Leinsamen.

Cyanogene Glycoside an sich sind nicht toxisch. Erst durch enzymatische Abspaltung des Zuckers kommt ein Prozess in Gange, bei dem schließlich Blausäure (HCN) freigesetzt wird. Das hierfür ausschlaggebende Enzym ist die β-Glucosidase. In der Pflanzenzelle herrscht eine klare Trennung: Die cyanogenen Glycoside und das Enzym liegen in verschiedenen Zellkompartimenten vor. Erst bei Beschädigung der Zelle z. B. durch Fraßfeinde kommt es zur Vermischung und damit zur Freisetzung der giftigen Blausäure.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat im Rahmen einer kontrollierten Humanstudie herausgefunden, dass der Verzehr einer bestimmten Ausgangsdosis cyanogener Glycoside je nach Lebensmittel zu ganz unterschiedlichen akuten Toxizitäten führt. Wichtig für diese Beurteilung ist der im Blut erreichte Cyanid-Spitzenspiegel. Der Verzehr von 6,8 mg als cyanogenes Glycosid gebundenes Cyanid in Form von 2 g Bittermandeln oder 100 g roher Maniok trieb den Cyanidspiegel im Blut fast bis zum aus der Toxikologie bekannten kritischen Bereich. Wurde die gleiche Dosis den Probanden jedoch in Form von 100 g Persipan oder 31 g Leinsamen zugeführt, stieg der Cyanidgehalt im Blut deutlich weniger an. Das BfR führt dies einerseits auf eine geringere Aktivität der in den Leinsamen vorhandenen β-Glucosidase zurück. Beim Persipan andererseits wird das Enzym offenbar bereits durch die Erhitzung im Produktionsprozess größtenteils zerstört.

Anmerkung: Bei der Herstellung von Persipan aus Aprikosenkernen (teilweise auch aus Pfirsichkernen bzw. bitteren Mandelkernen) bzw. von Marzipan mit Bittermandelanteil wird im Laufe des Produktionsprozesses der Großteil des Cyanids freigesetzt und entweicht ("Entbitterung"). Die im Endprodukt verbleibende Cyanid-Restkonzentration darf hierbei gemäß Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 (Aromenverordnung) den Grenzwert von 50 mg/kg für Nougat, Marzipan oder ein entsprechendes Ersatzerzeugnis sowie ähnliche Erzeugnisse nicht überschreiten.