Grundlagen der Radioaktivität

Radioaktivität ist die Eigenschaft instabiler Atomkerne, sich spontan unter Abgabe von Energie (in der Regel in Form von ionisierender Strahlung) umzuwandeln. Als Strahlung wird allgemein die Ausbreitung von Teilchen oder Energie bezeichnet. Ionisierende Strahlung ist dabei in der Lage, Elektronen aus Atomen oder Molekülen zu entfernen, wobei positiv geladene Kationen zurückbleiben.

Aufbau des Atoms

Ein Atom setzt sich aus dem positiv geladenen Atomkern und einer negativ geladenen Elektronenhülle zusammen. Für die positive Ladung des Kerns sind die Protonen verantwortlich. Die Anzahl der Protonen (Ordnungszahl Z) ist spezifisch für jedes chemische Element. So verfügt bspw. Kohlenstoff (C) über sechs Protonen, Stickstoff (N) über sieben.

Nach außen hin ist ein Atom neutral, da die positiven Ladungen der Protonen durch die gleiche Anzahl an negativ geladenen Elektronen in der Atomhülle ausgeglichen werden. Sind mehr oder weniger Elektronen als Protonen vorhanden, spricht man stattdessen von einem (geladenen) Ion.

Neben den Protonen sind im Atomkern auch ungeladene (neutrale) Neutronen zu finden. In der Regel entspricht die Neutronenzahl N der Protonen- bzw. Ordnungszahl Z. Zusammen ergibt sich die Massenzahl A:

A = N + Z

Nach Massen-, Ordnungs- und Neutronenzahl lassen sich unterschiedliche Atomsorten (Nuklide) unterscheiden. Nuklide mit gleicher Ordnungs-, aber unterschiedlicher Neutronenzahl bezeichnet man als Isotope. Von Kohlenstoff existieren bspw. zwei stabile Isotope: Kohlenstoff-12 (12C) mit sechs und Kohlenstoff-13 (13C) mit sieben Neutronen.

Strahlungsarten

α-Strahlung

Beim Zerfall des Atomkerns wird ein α-Teilchen (Heliumkern) bestehend aus zwei Protonen und zwei Neutronen emittiert, wodurch sich die Ordnungszahl um zwei und die Massenzahl um vier reduziert. So wandelt sich bspw. 210Po (Z = 84) unter Abgabe eines Heliumkerns in 206Pb (Z = 82) um.

ß-Strahlung

Beim β--Zerfall wird bei der Umwandlung eines Neutrons in ein Proton ein Elektron abgegeben. Die Ordnungszahl nimmt um eins zu. Beispiel: 198Au (Z = 79) wandelt sich unter Emission eines Elektrons in 198Hg (Z = 80) um.

Wandelt sich ein Proton in ein Neutron um, wird ein Positron emittiert und es wird von einem β+-Zerfall gesprochen. Die Ordnungszahl reduziert sich um eins.

γ-Strahlung

γ-Strahlung tritt meist als direkte Folge eines α- oder β-Zerfalls auf. Liegt der Atomkern nach einem solchen Zerfall in einem angeregten Zustand vor, wird beim Übergang in den energetisch günstigeren Grundzustand ein γ-Quant freigesetzt. Massen- und Ordnungszahl bleiben bei diesem Prozess unverändert.

Biologische Wirkung und Durchdringungsvermögen

Da im Falle der α-Strahlung relativ große Teilchen freigesetzt werden, sind hier die ionisierende Wirkung und damit die Schädlichkeit gegenüber lebendem Gewebe besonders hoch. Gleichzeitig hat α-Strahlung das geringste Durchdringungsvermögen und kann bereits durch ein Blatt Papier abgeschirmt werden. β-Strahlung kann sich in Festkörpern nur wenige Millimeter weit ausbreiten, die Abschirmung ist hier also z. B. durch eine Holzplatte möglich. γ-Strahlung hat das höchste Durchdringungsvermögen. Sie hat allerdings keine definierte Reichweite, sondern wird je nach Schichtdicke und Material in unterschiedlichem Maße abgeschwächt.

Physikalische Größen und Einheiten

Aktivität

Als Aktivität (A) wird die innerhalb einer bestimmten Zeit abgegebene Strahlungsmenge bezeichnet. Die Einheit ist das Becquerel (Bq). Dabei entspricht 1Bq einem Kernzerfall pro Sekunde. Da die Aktivität auch von der Anzahl der instabilen Atomkerne in einer gegebenen Probe abhängt, wird sie bei Lebensmitteln auf die Masse bezogen und in Bq/kg angegeben.

Energiedosis

Die Energiedosis (D) beschreibt die von einer bestimmten Masse absorbierte Energie (Joule pro Kilogramm). Sie hat die Einheit Gray (Gy). Dabei gilt:

1 Gy = 1 J/kg

weitere dosimetrische Größen

Ein und dieselbe Energiedosis kann sich je nachdem, von welcher Strahlungsart sie verursacht und von welchem Organ sie aufgenommen wird, in unterschiedlichem Maße schädlich auf lebendes Gewebe auswirken. Darum wird mit dimensionslosen Qualitäts- oder Wichtungsfaktoren multipliziert, um bspw. die Äquivalent-, Organ- oder effektive Dosis zu berechnen. Diese gewichteten Dosen haben ebenfalls die Einheit J/kg. Um sie jedoch von der Energiedosis abzugrenzen, wird die Einheit hier nicht als Gray, sondern als Sievert (Sv) bezeichnet.

1 Sv = 1 J/kg

Verzehr von durch Radioaktivität kontaminierter Lebensmittel

Das Bundesamt für Strahlenschutz gibt an, dass die Aufnahme von 80.000Bq Cäsium-137 (137Cs) über ein kontaminiertes Lebensmittel für einen Erwachsenen eine Strahlenbelastung von ca. 1 mSv (Millisievert) bedeutet.

Der Verzehr einer Portion von 200 g Pilzen mit 4000 Bq/kg bewirkt damit eine Strahlenexposition von 0,01 mSv. Zum Vergleich: Die natürliche Strahlenbelastung in Deutschland beträgt ca. 2,1 mSv pro Jahr.

Radioaktivität in Lebensmitteln

Das ifp Institut für Produktqualität bietet die Untersuchung von Lebensmitteln auf Radioaktivität an. Die Bestimmung von Radioaktivität in Lebensmitteln erfolgt gammaspektroskopisch mittels eines koaxialen Germanium-Detektors, der zur Vermeidung thermisch bedingter Rauschsignale mit flüssigem Stickstoff gekühlt wird. Routinemäßig werten wir das Gammaspektrum auf die in Lebensmitteln relevanten Isotope aus. Es handelt sich hierbei primär um:

  • 131I (Iod-131)
  • 134Cs (Cäsium-134)
  • 137Cs (Cäsium-137)

Ihre Aktivität wird in Bq/kg erfasst. Die Nachweisgrenze variiert je nach Analysendauer und Isotop, liegt jedoch weit unter den gesetzlich festgelegten Höchstwerten. Weitere Informationen zur Radioaktivität finden Sie hier:

Hintergrund

Infolge der Reaktorkatastrophe Tschernobyl im Jahr 1986 wurden durch die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) auf europäischer Ebene rechtliche Regelungen für Lebensmittel und Futtermittel zum Schutz der Bevölkerung durch kontaminierte Lebens- bzw. Futtermittel verabschiedet.

Durch die Verordnung (EURATOM) Nr. 3954/87 zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungsmitteln und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation wurden Strahlungshöchstwerte für Lebens- und Futtermittel festgelegt.

Nahrungsmittel geringerer Bedeutung wurden zusätzlich in der Verordnung (EURATOM) Nr. 944/89 definiert und entsprechende Höchstwerte festgelegt. Höchstwerte für Futtermittel wurden zusätzlich durch die Verordnung (EURATOM) Nr. 770/90 festgeschrieben.

Die Verordnung (EG) Nr. 733/2008 über die Einfuhrbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ursprung in Drittländern nach dem Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl regelte darüber hinaus noch spezifische Höchstgehalte für Waren aus den durch die Reaktorkatastrophe kontaminierten Gebieten.

Fukushima

Als Reaktion auf das schwere Reaktorunglück, das sich im März 2011 im japanischen Fukushima ereignete, wurde die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 297/2011 erlassen. Gemäß dieser Notfallverordnung galten für die Einfuhr von Lebens- und Futtermitteln aus den betroffenen japanischen Präfekturen zunächst die in den Verordnungen Nr. 3954/87, 944/89 und 770/90 festgelegten Höchstwerte an Iod-131, Cäsium-134 und Cäsium-137. Nur wenig später wurde diese Verordnung durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 351/2011 geändert, in deren Anhang II neue Höchstwerte in Übereinstimmung mit den in Japan geltenden Grenzwerten festgelegt wurden.

Aktuell

Im Januar 2016 wurde eine neue Euratom-Verordnung zur Festlegung von Höchstwerten für Lebens- und Futtermittel, die nach einem nuklearen Unfall oder einem anderem radiologischen Notfall mit radioaktiven Stoffen kontaminiert sein können, verabschiedet (Verordnung (Euratom) 2016/52). Diese trat im Februar 2016 in Kraft.

Diese Verordnung ermächtigt die Kommission, nach einem radiologischen Notfall kurzfristig in einer Durchführungsverordnung verbindliche Grenzwerte festzulegen. Dadurch ist es möglich, die Grenzwerte für die Radioaktivität in Lebens- und Futtermitteln schnell und flexibel an die Umstände des jeweiligen Notfalls anzupassen. Diese dürfen jedoch die in den Anhängen der Verordnung festgelegten Höchstwerte nicht überschreiten.

Die Möglichkeit, auch niedrigere Grenzwerte festzulegen, soll den Strahlenschutz optimieren und die radioaktive Belastung der Bevölkerung so niedrig halten, wie dies beim jeweiligen Notfall vernünftigerweise erreichbar ist.

Die Verordnung (Euratom) 2016/52 ermöglicht somit einen effektiven Schutz der europäischen Bevölkerung vor radioaktiv kontaminierten Lebensmitteln und begrenzen zu diesem Zweck auch die Verwendung kontaminierter Futtermittel. Sie ersetzt die bisher gültigen Euratom-Verordnungen Nr. 3954/87, Nr. 944/89 und Nr. 770/90.